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Free University of Bozen-Bolzano

ECO Faculty Press releases Research

Studie: Wie AfD-Stimmen auf Integrationserfolge wirken

Wie beeinflusst die Haltung der Aufnahmegesellschaft gegenüber Zuwanderung die Integration von kürzlich angekommenen Flüchtlingen?

In einer in Labour Economics veröffentlichten Forschungsarbeit wurde von Forschenden der Freien Universität Bozen ein negativer Zusammenhang zwischen der sozialen Integration von Geflüchteten und dem Zuspruch für einwanderungsfeindliche Parteien belegt. Als Datenbasis dienten kommunale Wahlergebnisse für die rechtspopulistische Partei Alternative für Deutschland (AfD) sowie die größte repräsentative Befragung von Geflüchteten in Europa (SOEP).

Ein hoher Zuspruch für die Partei Alternative für Deutschland (AfD) wirkte sich in deutschen Gemeinden während des großen Flüchtlingszustroms in den Jahren 2015 und 2016 negativ auf die soziale Integration der Geflüchteten aus. Sie litten in diesen Gemeinden auch eher unter rechtsextremen Angriffen. Positive Interaktionen der Neuankömmlinge mit Einheimischen waren weniger wahrscheinlich und negative Meinungen über Einwanderung übertrugen sich auf Anhänger:innen anderer Parteien in diesen Gebieten. Das sind kurz zusammengefasst die Ergebnisse der in Labour Economics veröffentlichten Arbeit, die von der Doktorandin der Freien Universität Bozen Pia Schilling und Prof. Steven Stillman veröffentlicht wurde.

Ein Ergebnis, das weniger überraschend wirkt als es ist, unterstreicht Pia Schilling. „Es gab in der Vergangenheit auch Untersuchungen zur sogenannten Bedrohungshypothese, laut der kulturelle Assimilation in Regionen mit ausgeprägter Ausländerfeindlichkeit schneller erfolgt.“

Für die nun veröffentlichte Arbeit konnten die Forscherin und Steven Stillman, Professor für Arbeit und öffentliche Wirtschaft der Freien Universität Bozen, auf eine in mehrerlei Hinsicht ideale Datenbasis zurückgreifen: Im Untersuchungsjahr 2018 hatte Deutschland seit 2015 rund 1,22 Millionen Asylansuchen verzeichnet, was in diesem Zeitraum fast der Hälfte aller Anträge in der Europäischen Union entsprach. Für die Studie optimal war auch, dass anerkannte Geflüchtete in Deutschland seit 2016 nicht mehr frei wählen können, wo sie leben möchten. Gemäß Königsteiner Schlüssel werden sie auf Bundesländer und dann meist auf Basis von Einwohnerzahlen auf Landkreise und Gemeinden verteilt. „Durch diese zufällige Verteilung konnten wir ausschließen, dass Geflüchtete bewusst Gemeinden mieden, die für einwanderungsfeindliche Haltungen der Bevölkerung bekannt sind“, erklärt Schilling. Darüber hinaus wurde vom Forschungsduo aufgezeigt, dass die Zuweisung von Geflüchteten keinen Einfluss auf den Wahlerfolg der AfD in den darauffolgenden Jahren hatte, also die negative Einstellung nicht Ergebnis der Zuweisungen war. Damit konnte ein kausaler Einfluss der Einstellung gegenüber den Neuankömmlingen vor Ort auf deren Integration festgemacht werden.  

Für Erkenntnisse zur wirtschaftlichen und sozialen Integration konnten Schilling und Stillman auf hochwertige Daten der jährlichen deutschen Flüchtlingssurveys (IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten) zurückgreifen. In dieser europaweit größten repräsentativen Befragung von Geflüchteten werden eine Vielzahl von Fragen zur wirtschaftlichen und sozialen Integration sowie detaillierte Fragen zum soziodemografischen Hintergrund der einzelnen Geflüchteten gestellt. Die Antworten wurden dann in Regressionsanalysen mit einer Vielzahl lokaler Indikatoren, darunter auch der Stimmenstärke der AfD in den einzelnen Gemeinden, gekreuzt. Die Ergebnisse zeigen, dass die wirtschaftliche Integration von Geflüchteten weit stärker von der Arbeitsmarktsituation, speziell dem Anteil an Arbeitslosen, beeinflusst wird, während bei der sozialen Integration der Stimmanteil der AfD einen signifikanten Einfluss hat. Der größte negative Effekt wurde bei Gruppen festgestellt, die in AfD-Kampagnen direkt angegriffen werden, insbesondere Menschen aus Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung und alleinstehende Männer. Die soziale Integration wurde anhand folgender Indikatoren bewertet: dem Gefühl willkommen zu sein, dem Vertrauen gegenüber Mitmenschen, der Häufigkeit von erlebten Diskriminierungen sowie der Zeit, die sie mit Deutschen generell und ihren Nachbarn verbringen.

Die an der Freien Universität Bozen entstandene Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag, um besser zu verstehen, wie Einstellungen der Aufnahmegesellschaft die Herausforderungen der Migration beeinflussen kann. Dies zeigt sich auch in Gemeinden mit einer starken Unterstützung von Parteien, die eine liberale Einwanderungspolitik befürworten: dort fielen die Ergebnisse der sozialen Integration deutlich besser aus. „ Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es besser sein könnte, Geflüchteten die Entscheidung zu überlassen, wo sie sich innerhalb eines Landes niederlassen, als sie nach dem Zufallsprinzip zu verteilen. Dies deckt sich mit anderen Untersuchungen, die zeigen, dass eine solche Politik auch zu einer besseren Integration in den Arbeitsmarkt führen kann“, erklärt Prof. Steven Stillman.

(su)