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Freie Universität Bozen

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Zwischen Ohnmacht, Wut und engagierter Solidarität – Frauen in der Pandemie

Eine Studie von Eurac Research und unibz zeigt, wie sich Frauen in Südtirol infolge des Corona-Lockdowns gesellschaftlich engagierten und welche Erfahrungen sie machten

Viele Menschen verfielen in eine Art Schockstarre, als im März des vergangenen Jahres in Südtirol der erste Lockdown ausgerufen wurde. Aus der „Pause vom normalen Leben“, wie einige Befragte den Lockdown bezeichneten, wurde zunächst versucht, das Beste zu machen; die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wurden anfangs großzügig mitgetragen. Spätestens aber, als klar wurde, dass die Schulen bis Schuljahresende nicht mehr öffnen würden, gerieten die meisten Frauen – plötzlich überbelastet mit Kinder- und Altenbetreuung, Home-Schooling, Home-Office und Haushalt – an ihre Grenzen.

Studien von unibz und Eurac Research

Dass Frauen jedoch nicht nur Opfer dieser Pandemie sind, macht die gemeinsame Studie „Below – Being Locked up?“ von Eurac Research und unibz deutlich. Anhand von Interviews mit Frauen und Männern unterschiedlichen Alters und in verschiedenen Lebenssituationen zeigt die Studie auf, wie sich Frauen in Südtirol in etablierten Interessengruppen und neuen Netzwerken engagierten, Veränderungen anstießen und neue Aufgaben übernahmen, um einen nachhaltigen Wandel in der Gesellschaft anzuregen.

„Während des Lockdowns habe ich mich in die 50er Jahre zurückversetzt gefühlt“

beschrieb eine interviewte Frau in Südtirol die Situation während des Lockdowns und bestätigt damit eine Argumentation der aktuellen Forschungsliteratur, die Covid-19 als Katastrophe für den Feminismus bezeichnet. Um diese Situation zu bewältigen, beschritten die befragten Frauen zwei unterschiedliche Wege, wie die Studie aufzeigt: Einige von ihnen versuchten, sich selbst und die eigene Familie vor allen negativen Einflüssen zu schützen, indem sie sich in die eigenen vier Wände zurückzogen und sich von der Außenwelt und von Medienberichten abschotteten.

Andere hingegen wandten sich nach außen, engagierten sich auf gesellschaftlicher Ebene, planten gemeinsame öffentlichkeitswirksame Aktionen. Beispiele dafür sind die Gruppe „Reminderz“, die mit einer Aktion vor dem Südtiroler Landhaus im Juni 2020 an die Rechte der Kinder erinnerte oder die Gruppe „Lichtblick.Südtirol“, die fundierte Erfahrungen sammelt, Handlungsvorschläge macht und online Informationen gebündelt bereitstellt, um dazu beizutragen, die Pandemie zu stoppen.


„Ein Großteil der interviewten Frauen war vor der Pandemie nicht gesellschaftlich engagiert. Dennoch wurde das zivilgesellschaftliche Engagement zu einem wichtigen Teil ihrer Bewältigungsmechanismen, um mit ihrer Ohnmacht, Resignation und ihrer Wut klarzukommen und mit dem Gefühl, vom System im Stich gelassen worden zu sein“

erklärt Claudia Lintner von der Freien Universität Bozen. Die Soziologin leitete die Studie gemeinsam mit der Politikwissenschaftlerin Verena Wisthaler von Eurac Research.

„Ziel der Frauen, die sich engagierten, war es, ihre persönliche Lage zu verbessern und gegen gesellschaftliche Ungleichheiten anzukämpfen.

Sie hatten zum einen das Vertrauen in die Politik verloren. Zum anderen nannten viele von ihnen als Motivation auch Solidarität und ein Bewusstsein für die pandemiebedingten Schwierigkeiten anderer, und deshalb den Wunsch, sich für diese Mitmenschen einzusetzen“, ergänzt Wisthaler.

Psychologische und soziale Solidarität

Interessanterweise kannten sich viele Frauen, die sich gemeinsam in Netzwerken engagierten, gar nicht persönlich – sie waren nur telefonisch oder online in Kontakt. Das gemeinsame Engagement für die Sache ließ die Frauen aber in kurzer Zeit stark zusammenwachsen.
Neben materieller Unterstützung durch Spenden stand besonders die psychologische und soziale Solidarität im Vordergrund, für die sich Frauen auch verstärkt in bestehenden Interessengruppen einsetzten, wie den Berufsverbänden, der Südtiroler Bäuerinnenorganisation, der Katholischen Frauenbewegung, wnet – networking women, Zonta, Frauen helfen Frauen oder Donne Nissá. In all diesen Organisationen bemühten Frauen sich, Informationen zur Verfügung zu stellen, andere zu beraten und Online-Treffen und Gesprächsrunden zu organisieren, um zu helfen und die Isolation zu durchbrechen.

Aus den Interviews mit Mitgliedern von Religionsgemeinschaften ging hervor, dass auch hier Frauen die ersten waren, die innerhalb der Gemeinschaft in der Nachbarschaftshilfe und anderen Bereichen aktiv wurden und sich in Netzwerken zusammenschlossen. In diesem Zusammenhang wurde in den Interviews auch an der Stellung der Frau in der eigenen Religionsgemeinschaft Kritik geübt und die Krise als Chance dargestellt, um die Rolle der Frau in der Kirche und in der Gesellschaft neu zu denken – sie nicht nur im Hintergrund einzubinden, sondern auch an der Leitung zu beteiligen.

(ld)